Nur Bedarfskäufe

Ein Beitrag von Wolfgang Daum

Umsteuern jetzt

Nach dem Desaster Tönnies kann die Politik und die (Veterinär-)Verwaltung auf allen Ebenen nicht mehr so tun, als hätten sie nichts von den Haltungs-, und Schlachtbedingungen in der Massentierhaltung von Schweinen gewusst.

Das gilt aber auch für die Verbraucher*innen, die dieses minderwertige Fleisch kaufen und darauf bestehen, ein Recht zu haben jederzeit solches „billiges“ Fleisch in großen Mengen essen zu können. Sie tun das, selbst wenn sie davon zu dick und krank werden. Klar, wenn sie selbst so wenig für ihre Arbeit verdienen, dass sie nicht davon leben können, können sie sich „teures“ Fleisch nicht leisten.

Es ist aber trotz des billigen Preises teuer, weil die verdeckten Kosten nicht einbezogen werden: die Kosten der Aufstockung des Lohns, die Kosten der deutschen und EU-Subventionen, die Krankheitskosten, die Kosten für den Lockdown und die Beseitigung der Schäden, die Folgekosten, die Umweltkosten bezahlen Sie teils direkt selbst, teils als Krankenkassenbeiträge, teils aus Ihren Steuern.

Nun führt kein Weg daran vorbei, die Lebens-, und Arbeitsbedingungen der Billiglöhner in der Fleischindustrie zu verbessern. Allerdings kommen wir nicht darum herum, auch diese anderen Seiten des Desasters zu überdenken und sie umgehend zu verändern:

  • die Produktionsweisen in der Agrarindustrie (das ist nicht bäuerliche, auch nicht konventionelle Landwirtschaft!)
  • die Lebens-, und Arbeitsbedingungen der Mehrheit unserer Mitbürger*innen in Deutschland und weltweit
  • das Wirtschaftssystem und seine Prinzipien

Unser Wirtschaftssystem beruht auf den Prinzipien Wachstum + Gewinn

Gewinn bei den Vermögenden soll angeblich nach unten durchsickern, so dass alle profitieren – so die Theorie. Tatsache ist, dass die Vermögen der Reichen unermeßlich steigen – auch in dieser Pandemie und durch diese Krise. Die systemrelevanten Menschen am unteren Ende haben dagegen kein Vermögen bzw. Es verringert sich. Das macht überdeutlich, dass dies eine Schutzbehauptung, ein Fake ist.

Wachstum bedeutet, dass immer mehr Waren produziert werden. Diese Waren müssen verkauft, gekauft und konsumiert werden. Produktion, Kauf und Konsum sind durch natürliche und menschliche Faktoren limitiert und können nicht bis ins Unendliche gesteigert werden.

Corona macht uns sehr deutlich klar, dass diese beiden Prinzipien am Ende sind.

Unbegrenztes Wachstum führt zu doppelter Ausbeutung: Ausbeutung der Natur + Ausbeutung der Menschen.

Dass dieses System so nicht mehr funktionieren kann, bzw. vermutlich so nie funktioniert hat, wird derzeit weltweit sehr deutlich.

Nur Bedarfskäufe

Am Montag nach Öffnung der kleineren Läden bis 800m² erschien in der Lokalzeitung eine Stellungnahme der Gewerbetreibenden Paderborn. Sie stellten fest, dass am Wochenende nur Bedarfskäufe getätigt wurden. Das reiche nicht aus, um die Läden mit Gewinn zu öffnen. Die Leute müssen mehr konsumieren, so das einhellige, seither immer wiederholte Credo der Interessenvertreter.

Der Lockdown hat offensichtlich dazu geführt, dass das Notwendige beschafft wurde, überflüssige Produkte (noch) nicht. Shoppen zeigt sich so als ständiger Anspruch, Überflüssiges jederzeit kaufen zu können. Das bedeutet, dass der Einkauf der lebensnotwendigen Lebensmittel wenig zur Gewinnmaximierung beiträgt, sondern vor allem die darüber hinausgehenden Käufe von zusätzlichen Konsumwaren.

Wie soll das gehen, wenn die Meisten alles haben, was kein Bedarf, also nicht nötig ist?

In einem Fernsehinterview vertrat der Chef von VW penetrant die Auffassung, die Regierung müsse Kaufanreize bieten für den Kauf der auf Halde stehenden VW-Fahrzeuge. Er lobte die mit nicht mehr tragbarer Technik und betrügerischer Software ausgestatteten Autos penetrant über den grünen Klee und hielt Veränderungen, Umsteigen auf andere Antriebe und Kraftstoffe nicht für notwendig. Das Plädoyer des Industrievertreters war unbeirrt und bedenkenlos: Weiter so wie bisher!

„Der Fall Tönnies zeigt uns (…) vor allem, wie falsch unsere Lebens-, und Wirtschaftsweise ist. Unser Wohlleben auf dem Rücken von schlecht bezahlten und ausgeplünderten Werkvertrags-, und Sklavenarbeitern hier und weltweit zu gründen, die die Drecksjobs für uns erledigen und die Produkte so billig machen, muss endlich aufhören“ (Stefan Brams in der NW, 20./21. Juni 2020). Dem ist höchstens noch hinzuzufügen, dass die Produkte nur vermeintlich billig sind. Wir bezahlen die tatsächlichen Kosten über Steuern, Subventionen, Umwelt-, und Krankheitskosten und speziell über die Billionen, die von der Regierung als Bazooka für die Bewältigung der Folgekosten der Corona-Pandemie bereitgestellt werden.

Alleinstellungsmerkmal Biolandwirtschaft in Lichtenau

Zur Zeit ist Biogemüse und Biofleisch zunehmend mehr gefragt. Gesunde Ernährung, gesunde Lebensweise und gesunde Umwelt sind Garanten für ein gutes und stabiles Immunsystem, das in der Lage ist, Infektionen abzuwehren und zu bekämpfen. Die Nachfrage steigt, der Bedarf wird aus heimischem Angebot nicht gedeckt. Die deutschen Bauern zögern, ihren Betrieb auf Bio umzustellen, obwohl dort höhere Preise verlangt und bezahlt werden. Ihnen müsste doch eigentlich gute Qualität am Herzen liegen.

Lichtenau ist bei der Biolandwirtschaft sehr gut aufgestellt. Von den 9560 Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche im Stadtgebiet werden 1505 Hektar (19%) mit ökologischem Landbau bewirtschaftet. Im Kreisgebiet sind es dagegen nur 5% der Landfläche, die ökologisch bearbeitet wird. (Dietmar Hupe: Landwirtschaftskammer Brakel in einem Vortrag bei der AG Umwelt Wald Energie Lichtenau; Bericht NW 11.02.2020; Die 15 Februar 2020, S.5).

Die Biolandwirtschaft ist ein besonders wichtiger, weil zukunftsorientierter Wirtschaftsbereich in Lichtenau.

Das ist durchaus ein Erfolg der Bauern, die den Mut hatten, auf diese – eigentlich wirklich als konventionell zu bezeichnende Weise der Landwirtschaft umzusteigen, weil sie verstanden haben, dass diese traditionelle Arbeitsweise mit der Natur arbeitet, nicht wie die derzeitige Mehrheit der Landwirte gegen die Natur.

Hier, wie auch bei den Erneuerbaren Energien gab es einen Initiator, der schon zu Beginn der 1980iger Jahre diese Umstellung wegweisend unternommen hat. Er demonstrierte Interessierten damals schon den Unterschied zwischen seinem lockeren und wesentlich tieferen Humusboden mit entsprechend vielen und tiefreichenden Wurzeln und dem harten, dünnen und wenig durchwurzelten Boden des „konventionell“ bewirtschafteten Nachbarfeldes. Er wurde viel belacht, verdächtigt und als Spinner verachtet.

Warum sind ihm hier nach langer Zeit doch vergleichsweise mehr Landwirte gefolgt, als anderswo?

Was zukünftig nicht mehr geht

  • Mehr Ausräumen der Landschaft
  • Noch größere, noch schneller fahrende Trecker – Ungetüme auf den vergleichsweise kleinen Feldern
  • Noch höhere Lasten, die den Humusboden verdichten
  • Noch größere Güllebehälter und Tankwagen
  • Noch mehr Gülle und Kunstdünger auf die Felder ausbringen
  • Noch breitere Sprüharme für Gülle, Insektizide und Pestizide
  • Noch enger zusammengepfercht können Tiere in den Ställen nicht werden
  • Noch mehr Rippen oder größere Euter können den Tieren nicht angezüchtet werden
  • Noch mehr sich selbst ausbeuten können die meisten kleineren Landwirte nicht
  • Noch mehr Landwirte und Landarbeiter kann die Agrarindustrie nicht ausbeuten
  • Noch billiger können die Lebensmittel kaum hergestellt und verkauft werden
  • Noch mehr Kranke durch falsche Ernährung, z.B. Fettleibige oder Allergetiker*innen sind kaum möglich

Allein in den vergangenen 30 Jahren sind ein Drittel allen Weidelands, ein Viertel aller Ackerböden und fast ein Viertel des Humus im Wald verweht, versalzen oder verhärtet. Die Degradation gefährde die Ernährung von 3,2 Milliarden Menschen. Sie kostet jährlich 300 Milliarden Dollar. Wer heute 1 Dollar inden Erhalt des Bodens investiert, spart morgen 5 Dollar Umweltkosten sagen die Experten des Bonner Zentrums für Entwicklungsforschung mit Kollegen aus aller Welt.

Naturbeherrschung, wie sie gegenwärtig betrieben wird, ist nur möglich, solange die Natur sich nicht „wehrt“. Nun erleben wir, dass sie stärker ist, als alle Technik. Sie warnt uns seit Jahrzehnten mit Baumsterben, Borkenkäfer, Erdölknappheit, Stürmen, Hitze, Trockenheit, Bodendegradierung, Viren, Pandemien, steigendem Wasserspiegel der Meere, Abschmelzen der Pole und der Gletscher, auftauendem Permafrost, Feinstaub, Kohlendioxid – Belastung, Krankheiten, Stress – die Aufzählung lässt sich fortsetzen.

Wir sind am Gipfel der Industirlisierung aller Lebensbereiche angelangt. Von nun an gehts damit bergab!

„Konventionelle“ Landwirtschaft in Lichtenau in Bedrängnis?

In einem Zeitungsinterview stellte der Asselner Landwirt Berg fest, dass er den derzeitigen Stop der Verarbeitung von Schweinen bei Tönnies nicht lange durchhalten könne. Die Schweine bei seiner Massenhaltung im Stallwachsen über das übliche Gewichthinaus und die Buchten würden zu klein. Dadurch komme er in Bedrängnis.

Allerdings verschweigt er,, dass er mit dieser Haltungsform den gesamten Ort seit langem massiv in Bedrängnis bringt. Buchstäblich ‘stinkt es’ dem Ort. Dem benachbarten Biohof wurde die Auflage erteilt, seine freilaufenden Bioschweine aufzustallen, damit diese keine Schweinepestkeime in die Massentierhaltung übertragen. Man kann nur feststellen, dass dies die verkehrte Welt der Agrarindustrie kennzeichnet.

Reicht es, andere Sorten anzubauen?

Immerhin meint der neue Vorsitzende des Bezirksverbands der Landwirte OWL, „langfristig müssten sich die Landwirte auf den Klimawandel in der Region einstellen“. „Wir müssen mehr über Roggenanbau nachdenken oder auch über Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen. Die können lange Trockenphasen besser vertragen“.

Das war in den 1970iger Jahren noch Stand der Erfahrung. Weizenanbau geht hier nicht. Der Roggen wird als Viehfutter genutzt, ist nicht für Brot backen geeignet. Weidewirtschaft ist hier angesagt.

Neue Wege müssen die örtlichen Naturgegebenheiten berücksichtigen und aufgreifen, sonst sind sie zum Scheitern verurteilt.

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